zum Wochenspruch 22. Sonntag nach Trinitatis

»Bei dir ist die Ver­ge­bung, dass man dich fürch­te.« Psalm 130,4

Lie­be Lesende,

auf den ers­ten Blick hin klingt der Vers aus Psalm 130 fast unver­ständ­lich. Was soll denn Ver­ge­bung mit Furcht zu tun haben? Mir hilft hier der Vers voher wei­ter: Da steht: »Wenn du, HERR, Sün­den anrech­nen willst – Herr, wer wird bestehen? Und dann geht es wei­ter mit unse­rem Vers: »Für­wahr: Bei Dir ist die Ver­ge­bung, dass man dich fürch­te.« Wenn jemand mäch­tig ist, ist das eines, wenn er dann auch noch groß­zü­gig ist und ver­ge­bungs­be­reit, dann ist dies ein Aus­druck sei­ner Grö­ße. – Die Basis­bi­bel betont statt der Furcht die Ehr­furcht vor Gott, sie über­setzt: »Doch bei dir liegt die Kraft der Ver­ge­bung. /​Dafür begeg­net man dir mit Ehrfurcht.«

Wir sehen vor allem in Jesus die zuge­wand­te Sei­te Got­tes, die lie­be­vol­le und mensch­li­che. Und es ist gut so, denn wie anders als durch Got­tes Selbst­of­fen­ba­rung in sei­nem Sohn soll­ten wir ihn ver­ste­hen und sehen kön­nen. Und ande­rer­seits wird Gott man­ches­mal klein gemacht und klein gedacht, wenn wir sei­ne Macht und Herr­lich­keit, sei­ne Grö­ße und auch den Abstand zwi­schen uns als Geschöp­fen und dem Schöp­fer übersehen.

Der Psalm­be­ter war­tet auf Gott und sein Wort. Sei­ne See­le, sein Inne­res, war­tet auf Gott mehr als die Wäch­ter auf den Mor­gen – eben als das Ende ihrer Nacht­schicht. Für den Beter ist es aber nicht allein das Ende sei­ner Nacht(schicht). Der Blick reicht viel wei­ter: »Har­re, Isra­el, auf den HERRN! Denn bei dem HERRN ist die Güte, und viel Erlö­sung ist bei ihm. – Und er wird Isra­el erlö­sen von allen sei­nen Unge­rech­tig­kei­ten.« (So mit Vers 7 und 8.)

Sicher, dass dies ein­trat, das war aus dem Blick des Psalm­be­ters noch weit in der Zukunft. Wie gut, dass wir Got­tes neu­en Bund, mit dem er in sei­nem Chris­tus alle, auch Isra­el, erlöst hat. Jetzt kommt es dar­auf an, dies wie der Psalm­be­ter zu erwar­ten (»har­ren«), und anzunehmen.

F. W.