»Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.« (Psalm 145,15)
Liebe Gemeinde, liebe Leserinnen und Leser,
wenn wir warten, dann kann das eine freudige Spannung sein, etwa wie Eltern, die sich auf ihr erstes Kind freuen und warten, dass es schließlich, nach neun Monaten Erwartung, kommen möge. Es kann aber auch so ein Warten sein wie bei denen, die eine schlechte Diagnose von ihrer Ärztin erwarten. Und das ist ein bedrohliches Abwarten.
Der Psalmbeter stellt fest, dass alle (aller Augen) auf Gott warten, und er ihnen gibt, worauf sie warten und was sie erwarten. Gott vertröstet nicht. – Da muss ich innehalten. Ich denke an uns. Heute wartet kaum noch jemand auf Gott. Und die Wiederkunft Christi lässt nun schon fast 2.000 Jahre lang auf sich warten. Die frühen Christen hatten ja damit gerechnet, dass Christus zu ihren Lebzeiten wiederkommen würde. Im 1. Korintherbrief muss Paulus einiges schreiben, um die zu beruhigen, die sich diesbezüglich sorgen.
Der Psalmbeter, und wohl alle, die Erfahrungen mit Gott haben und machen, merken und wissen, dass er oft anders eingreift, als wir uns das denken, dass er aber immer handelt. Das beschreibt der Psalmbeter auch in den anderen Versen dieses Psalms. Im Hebräischen beginnen die Verse in der Reihenfolge des AlephBeths (sozusagen das hebräische Alphabets) mit den Buchstaben A‑B-C. Das erleichtert auch ein Auswendiglernen dieses Psalms. Und das ist sicher empfehlenswert, denn dieser Psalm ist ein außergewöhnliches Lob Gottes. Der Beter ist sich bewusst, wie gut und groß Gott ist, und wie sehr er dennoch uns Menschen im Blick hat. – Er gibt allen ihre Speise zur rechten Zeit. »Mensch und Tier«, wie die Basisbibel das »aller Augen« übersetzt. Es geht um alle Lebewesen, die nicht nur von Gott geschaffen wurden, sondern die eben auch von ihm erhalen und versorgt werden, täglich neu.
Insofern kann ich mir kaum einen besseren Wochenspruch für Erntedank vorstellen. – Ich möchte mir bewusst machen und darauf achten, wie Gott mich versorgt, aber auch uns als Gemeinden. Ich bin überzeugt davon, dass diese Aufmerksamkeit auf Gottes Tun auch bei mir uns uns zu einer neuen Dankbarkeit führen wird. Das tut mir gut – und vielleicht auch anderen?
F.W.