»Er [Jesus Christus] ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der gesamten Schöpfung.« (Kolosser 1,15)
Paulus zitiert hier einen Hymnus, ein Loblied oder Lobgebet. Wir westlich geprägte Christenmenschen verstehen unter Theologie oft, zutreffende Sätze über Gott, den Sohne Jesus, den Geist, über die Schöpfung und Erlösung zu formulieren. In der alten Kirche, besonders der lateinischen Tradition, waren viele Theologen gelernte Rhetoren, Redelehrer. Und die Rhetorik war eine Hilfsdisziplin insbesondere für Juristen. Entsprechend ist die Theologie.
Im Osten der alten Kirche, bei den griechischen Kirchenvätern, dem, woraus dann später die Orthodoxie wurde, war Theologie stets Liturgie. Ein Lob Gottes!
Was aber meint dies Lob im Christus-Hymnus? Gott kann man nicht schauen oder begreifen. Im Mensch-gewordenen Gott aber, in Jesus von Nazareth, der die Schuld der Welt trug und auferweckt wurde am dritten Tage, in ihm sehen wir, wie Gott ist. Er ist sichtbar in Erscheinung getreten. Und doch: Eines Wesens mit dem Vater. Wenn wir ihn sehen, dann sehen wir Gott.
Er ist der Erstgeborene der Schöpfung: Gezeugt nicht geschaffen! Unser Hymnus geht weiter:
»Denn in ihm ist alles geschaffen,
was im Himmel und auf Erden ist,
das Sichtbare und das Unsichtbare,
es seien Throne oder Herrschaften
oder Mächte oder Gewalten;
es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.
Und er ist vor allem,
und es besteht alles in ihm.« (Kol.1,16)
Das Motiv begegnet uns noch mehrfach in der frühchristlichen Literatur: Etwa im Johannes-Prolog, der Einleitung des Johannesevangeliums: »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.« (Joh.1,1 – 3)
Wenn also die Verbindung des Vaters und des Sohnes so eng ist, wie hier vorausgesetzt, dann passt der dritte Vers des Chorals »Wir glauben Gott im höchsten Thron«:
»Den Vater, dessen Wink und Ruf
das Licht aus Finsternissen schuf,
den Sohn, der annimmt unsre Not,
litt unser Kreuz, starb unsern Tod.«
Wie ist es bei uns? Wir haben unsere geistlichen Leitsätze gelernt und gut verinnerlicht. Wir wissen wie es Gott meint. So ging es den Schriftgelehrten und den Pharisäern zur Zeit Jesu. Und schließlich, zwischen letztem Abendmahl und Gefangennahme in Gethsemane, da meinten die Jünger auch, dass sie wüssten, was sie von Jesus und von sich selbst zu halten hätten. Da sagt Jesus dann: »Ihr werdet alle an mir irrewerden«… Das konnten sich damals die Jünger nicht vorstellen, und wir können es uns für uns selbst heute auch nicht vorstellen.
Es ist passiert. Petrus verleugnet Jesus; die Hinrichtung Jesu lässt die Jünger fast verzweifeln, sie sind verzagt und ratlos. – Wenn wir an diesem Punkt sind, an dem wir nichts mehr können oder wollen, dann werden wir brauchbar für Gott. Seine Kraft wird in den Schwachen mächtig, nicht aber in den Mächtigen. – In Corona erlebe ich viele Gemeinden an diesem Punkt!
F. W.