»Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken.« (3. Mose 19,33)
In Levitikus (3.Mose) erhält das Volk Israel Vorschriften/
Keine Ausführungsbestimmungen, wie soll ich ihn umsetzen?
Doch die erste Frage ist: Wer ist für mich ein Fremder?
Auf dem Bild meines Kalenders mit den Monatssprüchen ist eine Schafherde abgebildet, ein weißes Gewusel, am Rand ein einziges schwarzes Schaf – ist das der Fremde? Doch dann sehe ich in der Mitte einen schwarzen Kreis, die Nase eines Hundekopfes, der sich über die Schafsrücken erhebt. Ist dies der Fremde? Wer ist der Fremde? Ein Außenseiter, das schwarze Schaf oder der weiße Hund, dicht umdrängt, von den Schafen kaum zu unterscheiden? Wer ist der Fremde auf dem Bild?
Ein Fremder in unserem Land! Gerade in der heutigen Zeit ein sehr brisantes Thema. Doch WIR/
Und da ist wieder die Frage: Wer ist für mich ein Fremder?
Der Nachbar, dessen Kochdünste das ganze Treppenhaus durchdringen? Die Person, die bettelnd mir den Weg versperrt? Da gibt es sicher viele Beispiele, wo mir Menschen »fremd« sind, und es muss darunter gar keiner sein der einen Migrationshintergrund hat.
Wo gibt es dann sogar den »Fremden«, den wir in Gefahr stehen zu unterdrücken, in der Gemeinde? Nein, sagen wir, das gibt es bei uns nicht! Doch – wo fängt die Unterdrückung an? Beginnt es nicht schon da, wo Menschen sich ausgeschlossen fühlen? Keinen Platz finden in unseren festgefügten Gruppen und Kreisen? Wo wir vor lauter Geschäftigkeit, den eigenen Sorgen und Problemen, das Gespräch, die Anteilnahme vergessen oder dafür einfach keine Zeit mehr bleibt? Wie sehen das Menschen, die neu zu uns kommen? Wie sehen das Menschen, die einmal bei uns waren und nun nicht mehr »da« sind? War ich vielleicht auch einmal der »Fremde«, und wie habe ich mich da gefühlt? Wer hat mich da als »Einheimischer« behandelt?
Vor Jahren war ich einmal im Ausland, wo ich mich nur über den begleitenden Dolmetscher verständigen konnte. Wir waren bei einer einheimischen Familie eingeladen, und ich habe mich den ganzen Abend über mit niemandem unterhalten können (der Dolmetscher wurde von den anderen in Beschlag genommen). An den Rand geschoben, wie das schwarze Schaf, ausgegrenzt, unbeachtet, allein gelassen. Wo handle ich genauso? Wo unterdrücke ich, vielleicht ganz unbewusst, aber mit großem Kummer für mein Gegenüber?
Monatssprüche stellen mir oft mehr Fragen, als dass sie Antworten gäben. Sie stellen mein Leben, mein Handeln auf den Prüfstand. Nun habe ich einen Monat Zeit, nicht nur darüber nachzudenken, sondern meine Begegnungen anders, besser, d.h. liebevoller zu gestalten. Wie sehen Deine/
M. Stemmler