„Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen!.“ (Jesaja 5,20)
Das Buch Jesaja gehört nicht unbedingt zu den einfachen Büchern des Alten Testaments – genauso übrigens, wie auch der Prophet Jesaja sicher kein einfaches Leben hatte. So bestehen fast zwei Drittel des Buches aus den sogenannten „Gerichtsworten“, in denen der Prophet den Bewohnern Judas und Israels den Spiegel vorhält und ihre zumeist nur oberflächliche Frömmigkeit anprangert. Dass die Bevölkerung bei solchen Anklagen und drohenden Prophezeiungen den Mahner selten schätzt, war nicht nur zu biblischen Zeiten so. Aus diesen Gerichtsworten stammt auch der Vers für diesen Monat.
Oberflächlich wendet sich das Wort des Jesaja gegen Lügner und Faktenverdreher. Da müssen wir nicht lange suchen, dass uns Beispiele einfallen – spätestens dann, wenn Angriffskriege als „Präventivschläge“ oder „Militäroperationen“ umgedeutet werden. Aber natürlich geht es Jesaja hier nicht nur um die große Politik, sondern auch um den Umgang der Menschen untereinander. Lüge und „Halbwahrheit“ haben Konjunktur, wenn Menschen eigene Bedürfnisse befriedigen wollen oder sich erhoffen, Vorteile zu erlangen gegenüber anderen oder der Gemeinschaft. Ein bisschen Steuerhinterziehung? Der One-Night-Stand? Die Notlüge?
Schnell verlieren Menschen den Maßstab ihres Lebens. Aus „Einmal ist keinmal“ wird dann „Hat ja beim letzten Mal auch keiner gemerkt“, die Notlüge belastet plötzlich dauerhaft das Verhältnis zu einem Mitmenschen, der lokale militärische Konflikt verändert die globale politische Lage. Jesaja drängte seine Zeitgenossen, sich wieder den Maßstäben und damit den Vorgaben Gottes zu unterwerfen. Auch uns fordert dieser Vers dazu auf, neu darüber nachzudenken, wo wir selbst die Grenzen verwischen und wo wir uns zurückbesinnen sollten auf den göttlichen Maßstab, so wie er uns durch Jesus Christus vermittelt wurde. Nicht umsonst steht im neuen Testament die Liebe zum Nächsten im Mittelpunkt. Das Buch Jesaja besteht nicht nur aus den Gerichtsworten, sondern auch aus den „Trostworten“. Jesaja prophezeit nicht nur die Rückkehr der Israeliten aus der babylonischen Gefangenschaft, sondern auch detailliert das Kommen des Messias und Gottes Plan für die Welt. Es bleibt also nicht nur bei drohenden Worten und dem strafenden Gericht, sondern Jesaja zeigt auch eine wunderbare Perspektive auf – wenn wir uns auf den richtigen Maßstab besinnen.
Arndt Hellwig