nachgedacht zum Monatsspruch September 2022

Gott lie­ben, das ist die aller­schöns­te Weis­heit. (Sirach 1,10)

Die­ser Monats­spruch wur­de dem Buch Sirach aus den soge­nann­ten Apo­kry­phen ent­nom­men. Die­se Apo­kry­phen sind in den Bibel­über­set­zun­gen der evan­ge­li­schen Kir­chen sel­ten, meis­tens aber gar nicht ent­hal­ten. Mar­tin Luther schrieb dazu: „Das sind Bücher, so der hei­li­gen Schrift nicht gleich gehal­ten und doch nütz­lich und gut zu lesen sind.“

Als ers­tes frag­te ich mich nach dem Lesen die­ses Spru­ches: „Kann Weis­heit schön sein?“ Nach und nach merk­te ich dann, dass es ver­mut­lich ver­schie­de­ne Arten von Weis­heit gibt. Viel­leicht gibt es eine trau­ri­ge, eine neu­tra­le und eben auch eine schö­ne Weis­heit u.a..

Als mei­ne Frau nach einer schwe­ren Herz­ope­ra­ti­on von den Ärz­ten auf­ge­ge­ben wor­den war, sag­te uns der ver­ant­wort­li­che Arzt: „Ich stel­le jetzt die Gerä­te ab, denn meh­re­re Orga­ne arbei­ten nicht mehr.“ Wir konn­ten die­sem Ent­schluss nur des­halb zustim­men, weil wir wuss­ten, dass mei­ne Frau in Got­tes Hän­den gebor­gen ist und dass Gott kei­ne Feh­ler macht. Ich geste­he, dass ich spä­ter immer wie­der ein­mal dach­te, ob es nicht doch „schö­ner“ gewe­sen wäre, wenn man ver­sucht hät­te, mei­ne Frau noch ein­mal zu reani­mie­ren, um viel­leicht mehr Zeit zum Abschied von ihr zu haben. Meis­tens kam ich dann aber ziem­lich schnell zu dem Schluss, dass mit einem sol­chen Vor­ge­hen, wenn es über­haupt mög­lich gewe­sen wäre, sehr vie­le Risi­ken ver­bun­den gewe­sen wären und das Ster­ben mei­ner Frau wahr­schein­lich viel schwe­rer gefal­len wäre als so. Der Ent­schluss, die Gerä­te abzu­stel­len, war also ver­mut­lich sehr wei­se, eine trau­ri­ge Weis­heit, eine uns Zurück­ge­blie­be­nen trau­rig stim­men­de Weis­heit, die Got­tes Wil­len entsprach.

Vor Jah­ren sprach ich ein­mal mit einem Unfall­chir­ur­gen über sei­ne Arbeit. Ich sag­te ihm, dass ich es mir als sehr schwer vor­stel­le, wenn er die ver­letz­ten Men­schen nach allen Regeln der medi­zi­ni­schen Kunst wie­der in Ord­nung brin­gen muss und will. Dar­auf ant­wor­te­te er mir, dass das gar nicht so schlimm sei, weil er ja kei­ne Schuld an ihrem bedau­erns­wer­ten Zustand hät­te. Ich fand die­se Grund­hal­tung sehr wei­se und für den Arzt ver­mut­lich auch hilf­reich. Man könn­te sie viel­leicht einer neu­tra­len Weis­heit zuord­nen: Der Arzt tut alles, was mög­lich ist, aber er hat kei­ne Schuldgefühle.

Wie­so kann nun die Lie­be zu Gott als aller­schöns­te Weis­heit ange­se­hen wer­den? Ich glau­be jetzt, dass die Ant­wort gar nicht so schwer ist: Die Lie­be zu Gott betrifft sein bibli­sches Wort, nach dem wir unser Leben aus­rich­ten kön­nen. Die Lie­be zu Gott umfasst die dau­ern­de Mög­lich­keit mit ihm zu spre­chen und ihm alle unse­re Anlie­gen vor­tra­gen zu kön­nen. Die Lie­be zu Gott gip­felt in dem Glau­ben, dass wir durch Jesus Chris­tus tat­säch­lich Got­tes gerecht gemach­te Kin­der sind. Und die Lie­be zu Gott ent­hält auch den Glau­ben und die Hoff­nung auf eine Zukunft im Him­mel, in der es unüber­treff­lich schön sein wird. Also ist die Lie­be zu Gott die aller­schöns­te Weis­heit, die man sich den­ken und wün­schen kann.

Euer Peter Mohr