Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit. (Sirach 1,10)
Dieser Monatsspruch wurde dem Buch Sirach aus den sogenannten Apokryphen entnommen. Diese Apokryphen sind in den Bibelübersetzungen der evangelischen Kirchen selten, meistens aber gar nicht enthalten. Martin Luther schrieb dazu: „Das sind Bücher, so der heiligen Schrift nicht gleich gehalten und doch nützlich und gut zu lesen sind.“
Als erstes fragte ich mich nach dem Lesen dieses Spruches: „Kann Weisheit schön sein?“ Nach und nach merkte ich dann, dass es vermutlich verschiedene Arten von Weisheit gibt. Vielleicht gibt es eine traurige, eine neutrale und eben auch eine schöne Weisheit u.a..
Als meine Frau nach einer schweren Herzoperation von den Ärzten aufgegeben worden war, sagte uns der verantwortliche Arzt: „Ich stelle jetzt die Geräte ab, denn mehrere Organe arbeiten nicht mehr.“ Wir konnten diesem Entschluss nur deshalb zustimmen, weil wir wussten, dass meine Frau in Gottes Händen geborgen ist und dass Gott keine Fehler macht. Ich gestehe, dass ich später immer wieder einmal dachte, ob es nicht doch „schöner“ gewesen wäre, wenn man versucht hätte, meine Frau noch einmal zu reanimieren, um vielleicht mehr Zeit zum Abschied von ihr zu haben. Meistens kam ich dann aber ziemlich schnell zu dem Schluss, dass mit einem solchen Vorgehen, wenn es überhaupt möglich gewesen wäre, sehr viele Risiken verbunden gewesen wären und das Sterben meiner Frau wahrscheinlich viel schwerer gefallen wäre als so. Der Entschluss, die Geräte abzustellen, war also vermutlich sehr weise, eine traurige Weisheit, eine uns Zurückgebliebenen traurig stimmende Weisheit, die Gottes Willen entsprach.
Vor Jahren sprach ich einmal mit einem Unfallchirurgen über seine Arbeit. Ich sagte ihm, dass ich es mir als sehr schwer vorstelle, wenn er die verletzten Menschen nach allen Regeln der medizinischen Kunst wieder in Ordnung bringen muss und will. Darauf antwortete er mir, dass das gar nicht so schlimm sei, weil er ja keine Schuld an ihrem bedauernswerten Zustand hätte. Ich fand diese Grundhaltung sehr weise und für den Arzt vermutlich auch hilfreich. Man könnte sie vielleicht einer neutralen Weisheit zuordnen: Der Arzt tut alles, was möglich ist, aber er hat keine Schuldgefühle.
Wieso kann nun die Liebe zu Gott als allerschönste Weisheit angesehen werden? Ich glaube jetzt, dass die Antwort gar nicht so schwer ist: Die Liebe zu Gott betrifft sein biblisches Wort, nach dem wir unser Leben ausrichten können. Die Liebe zu Gott umfasst die dauernde Möglichkeit mit ihm zu sprechen und ihm alle unsere Anliegen vortragen zu können. Die Liebe zu Gott gipfelt in dem Glauben, dass wir durch Jesus Christus tatsächlich Gottes gerecht gemachte Kinder sind. Und die Liebe zu Gott enthält auch den Glauben und die Hoffnung auf eine Zukunft im Himmel, in der es unübertrefflich schön sein wird. Also ist die Liebe zu Gott die allerschönste Weisheit, die man sich denken und wünschen kann.
Euer Peter Mohr