»Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod.« (Hoheslied 8,6)
Liebe und Tod, das ist der Stoff für Romane, Dramen und großes Kino. In beiden Feldern geht es um grundlegende und wichtige Größen in unserem Leben: Der Tod gefährdet unser Leben an sich. Bei der Liebe geht es um Partnerschaft, und damit um die Familie, um Nachkommen, in der Antike auch um die Alterssicherung.
Neulich war ich in einem indischen Restaurant. Das Essen war ausgezeichnet. Etwas befremdlich wirkte auf mich der riesige Monitor, auf dem (immerhin stummgeschaltet) indische Musikvideos in Bollywood-Manier liefen. Immer ging es um Liebe, um Sehnsucht, um Eifersucht. Junge Leute zwischen 20 und 30 Jahren tanzten, fuhren in schnellen Autos, bevorzugt vor das Anwesen der Angebeteten. Einerseits störte mich die Buntheit und das Übertriebene. Andererseits dachte ich an den Monatsspruch aus dem Hohenlied. Dieses Durcheinander der Gefühle, das war in den indischen Musikvideos mit schnellen Schnitten gut eingefangen.
Trotz aller Verklärung als Gleichnisdichtung zwischen Gott und seiner Gemeinde: Das Hohelied bleibt Liebeslyrik, und zwar sehr schöne. Nicht umsonst kann Liebe in Menschen die besten Saiten zum Klingen bringen, und der Wunsch, dem geliebten Gegenüber zu gefallen, bewirkt manche Verhaltensänderungen.
Den Tod hat Christus überwunden – das ist Ostern. Wie ist es mit der Liebe zu Gott und zu den anderen: Werden wir von ihr erfasst? Wenn wir es zulassen, dass die starken Emotionen uns ergreifen, dann fürchten manche gleich Schwärmertum, pfingstlerische Gesinnung, kurz: Alles, was den geordneten Glauben in Unordnung bringen kann.
Als jemand, der meist nüchtern denkt, finde ich hier und zu diesem Text: Wäre es nicht gut, wenn aus dem abgeklärten, etwas steifen Glauben eine neue Liebe sich entwickelte? Wenn wir uns nach der Nähe zu Gott (zu seinem Herz und seiner Hand) verzehrten? – Alles übertrieben? – Entscheiden Sie selbst…
Frank Weber