Betet allezeit mit allem Bitten und Flehen im Geist und wacht dazu mit aller Beharrlichkeit und Flehen für alle Heiligen. (Epheser 6, 18)
Welche Rolle spielt das Gebet in unserem Leben? Ist es eine „Formel“, die man regelmäßig vor dem Essen spricht oder ein abendliches Ritual vor dem Einschlafen? Oder ist es viel mehr als das, vielleicht ein Zwiegespräch mit unserem Schöpfer, ein Abgeben aller Freuden, Nöte und Sorgen an den, der alles in seinen Händen hält?
Die Aufforderung zum Gebet im Epheserbrief finden wir direkt hinter der Beschreibung der geistlichen Kampfausrüstung. Wir sollen den Helm des Heils tragen, den Brustpanzer der Gerechtigkeit, den Schild des Glaubens usw. Das Bild eines Soldaten, der in den Krieg zieht – passt das denn zu dem Evangelium von Frieden, Gerechtigkeit und Liebe? Glaubenskampf – das ist doch eher etwas für überambitionierte Christen, die gerne mal in die fundamentalistische Schublade gesteckt werden.
Aber haben nicht auch wir mit bedrohlichen Situationen zu tun? Mit Herausforderungen, die zu groß erscheinen und bei denen wir manchmal am liebsten den Kopf in den Sand stecken wollen? Und kennen wir nicht auch die inneren Kämpfe, die im Alltag auszufechten sind?
Das sind doch die Situationen, die Kämpfe, in denen wir als „Soldaten Gottes“ einen Unterschied machen können. Und hier kommt das Gebet ins Spiel. Gebet ist eben nicht nur eine fromme Übung, sondern eine ernste Arbeit, ein Stück des Kampfes und der geistlichen Ritterschaft. Wie wir lesen, fordert es unseren vollen Einsatz, wir sollen alles geben.
Viermal „alles“ – allezeit, mit allem Bitten und Flehen, mit aller Beharrlichkeit und für alle Heiligen. Das erscheint doch unmöglich. Dieses Projekt ist zum Scheitern verurteilt, der Kampf ist doch schon verloren.
Oder?
Der Schlüssel ist hier der Geist. Wir haben Gottes Geist empfangen. Er ist unser Beistand und Tröster, er vertritt uns vor Gott. In Römer 8, 26 lesen wir: „Und auch der Geist Gottes tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein; er bringt das zum Ausdruck, was wir mit unseren Worten nicht sagen können. Auf diese Weise kommt er uns in unserer Schwachheit zu Hilfe, weil wir ja gar nicht wissen, wie wir beten sollen, um richtig zu beten.“
John Wesley sagte es so: „Bete, ob du kannst oder nicht, ob du fröhlich oder betrübt bist. Bete, mit vielen Worten, mit wenigen Worten oder ganz ohne Worte.“
Lasst uns doch einmal neu das Gebet im Geist ausprobieren. Vielleicht geht jetzt bei der einen oder dem anderen auch wieder eine Schublade auf – viel zu abgehoben, viel zu charismatisch. Aber ich bin überzeugt, dass uns schon alles von Gott geschenkt ist, was wir für unseren persönlichen Glaubenskampf brauchen. Wir müssen nur die richtigen Quellen anzapfen. Und diese Quelle, Gottes Geist, ist schon in uns drin. (Und wenn wir uns da nicht so sicher sind, dann lasst uns ihn einladen, in uns zu wohnen.)
Dann können wir mit John Wesley beten:
Hochgelobter Erlöser, sei du alles, was mein Herz verlangt, Raum und Ziel meines Lebens. Wenn ich aufwache, blicke ich auf dich, und wenn ich aufstehe, neige ich mich zuerst demütig vor dir. Während des Tages will ich meine Gedanken immer wieder auf dich richten, und wenn ich mich zur Ruhe begebe, will ich meine Augen mit einem Blick auf dich schließen. Jeden Tag will ich neu von der Herrlichkeit deines Reiches reden; und Nacht für Nacht will ich deiner großen Güte und deiner freundlichen Gnadenerweise gedenken, die sich in allen deinen Werken zeigen. So soll meine Zeit von deiner Gnade bestimmt und meine Ewigkeit mit deiner Herrlichkeit gekrönt sein.
Amen.
Viola Liebern