»Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der Herr.« (Sacharja 2,14)
Liebe Geschwister, liebe Freundinnen und Freunde,
die Tochter Zion, das ist Jerusalem. Denn der Zion ist einer der Berge, auf dem diese Stadt errichtet ist. Jerusalem ist die heilige Stätte Gottes, der Ort, an dem der Tempel unter König Salomo erbaut wurde, und nach dem Exil wurde am gleichen Ort wieder der Tempel als Sitz Gottes bei seinem Volk errichtet.
Das, was der Prophet hier sieht und sagt, gehört zum Visionszyklus (1,7 – 6,15), in dem der Prophet etwas schaut, das ihm gedeutet wird durch einen Engel. – Ohne den Propheten ginge es nicht, aber ohne den Engel blieben es Bildern mit sieben Siegeln, die kaum zu verstehen wären.
Im engeren Umfeld unseres Monatsspruchs stehen die Bilder von einem Mann, der eine Messschnur in seinen Händen hält (Sach. 2,5). Der möchte Jerusalem einerseits vermessen, aber eben auch als Gottes heiligen Ort vorstellen: Den Ort, an dem Menschen und Vieh sicher wohnen sollen. Ganz ohne eine Stadtmauer, denn Gott selbst will eine »feurige Mauer« sein. (Sach. 2,9) – Israel ist wie Gottes Augapfel (Sach. 2,12), das sollen alle anderen Völker wissen, die sich an Gottes Volk vergreifen könnten. Dieses Volk aber soll aus dem Exil zurückkehren (Sach. 2,11).
An dieser Stelle – am Höhe- und Wendepunkt der Vision – steht unser Monatsspruch: »Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR.« – Nach dem Exil wurde Jerusalem, die Tochter Zion, wieder aufgebaut. Gott hat sein Volk aus dem Exil zurückkehren lassen.
Heute wissen wir – und glauben es –, dass auch der nächste Vers zutrifft: »Und es sollen zu der Zeit viele Völker sich zum HERRN wenden und sollen mein Volk sein, und ich will bei dir wohnen.« (Sach. 2,15a)
Wir etwa sind ja mit Gottes Volk gemeinsam auf seinem Weg unterwegs. Ja, wir können über Details (und besonders über die Bedeutung Jesu) streiten. Klar ist aber: Ohne ihn hätten wir nichts von seinem Vater erkannt und gehört, und er verstand sich als Jude in der Tradition des Bundes.
So bringt das Sacharja-Buch (in der Exilszeit oder etwas danach) und unser Neues Testament uns Gottes Plan gleichermaßen nahe: Gott will versöhnt leben. Mit seinem Volk, mit uns, die wir aus den »Heidenvölkern« hinzugefügt wurde, eingepfropft, wie Paulus schreibt im Römerbrief (11,17ff).
Auch jetzt, im kirchenjährlichen Advent, erinnern wir uns: Jesus kam in sein Eigentum. So heißt es im Anfang des Johannesevangeliums:
»Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.« (Joh. 1,11 – 14)
Gut, dass es Gott ist, der Herr der Geschichte war, ist und auch bleibt; gut dass er es gut macht. Mit seinem Volk und auch mit uns. So dürfen wir uns als seine Kinder verstehen und mit Jesus und den Jüngerinnen und Jüngern seinen Vater als »unser Vater« ansprechen.
Wenn das kein Grund ist, dass auch Jerusalem, die Tochter Zion, sich freuen kann und wird, ja was denn dann?
F. W.