»So spricht der HERR zu mir: Mache dir Stricke und Jochstangen und lege sie auf deinen Nacken.« (Jeremia 27,2)
Joch: Schweres Geschirr-Teil, das man Ochsen, Kühen und anderen Zugtieren auflegt, damit sie, meist paarweise, schwere Lasten ziehen.
Was für ein sonderbares Bild wir hier doch beschrieben bekommen. Jeremia bekommt den Auftrag von Gott, sich ein Joch anzufertigen und dieses dann in der Öffentlichkeit zu tragen. Wie wir aus späteren Textpassagen schließen können, hat er das dann tatsächlich so gemacht.
Was hat das zu bedeuten?
Jeremia spricht mit diesem für alle Israeliten sichtbaren Zeichen in eine Situation des Konfliktes. Die Kapitel 27 bis 29 berichten von Jeremias Auseinandersetzungen mit den falschen Propheten, die vom baldigen Untergang Babylons reden und den Aufstand gegen Nebukadnezar befürworten. Sie planen, sich von der Oberherrschaft der Babylonier loszusagen.
Doch Gottes Wille ist ein anderer. Das Volk Israel soll das »Joch des Nebukadnezar« weiter tragen und nicht auf falsche Zeichendeuter und Zauberer hören. Andernfalls würde das Volk Israel schwere Qualen leiden und letztlich durch Nebukadnezar selbst vernichtet werden.
Diese Weisung Gottes trägt Jeremia im wahrsten Sinne des Wortes auf seinen Schultern.
Ich weiß nicht, wie es dir geht beim Lesen dieser Zeilen, aber mir drängt sich ein sehr aktuelles Bild auf. Menschen, die aggressiv und laut auf den Treppen des Reichstages stehen und der Welt glauben machen wollen: Corona ist eine Lüge, Corona ist nicht so schlimm wie behauptet wird, und man müsse sich auf nicht mit Masken und Abstand schützen. Und rechtsextreme »Zauberer und Zeichendeuter« befeuern diese kruden Ansichten. Was für eine extreme Fehleinschätzung der Situation, die drastische Folgen hätte, wenn der Rest des Volkes darauf hören würde. Und die Motive für solch unverantwortliches Denken und Handeln sind die gleichen wie vor ca. 2.500 Jahren: Wir wollen jetzt wieder so leben wie wir das vor der Krise getan haben, wir haben keine Geduld mehr und wir wollen uns nicht von Autoritäten sagen lassen, was wir zu tun und zu lassen haben. Doch Gottes Wort ist ein anderes. Es sagt uns hier zwei Dinge, die ich mal für die aktuelle Situation übersetze: »Hört nicht auf die Scharlatane, nur ich weiß, wann die Krise zu Ende ist. Und bis dahin seid bitte vorsichtig, denn es geht gegebenenfalls um Leben und Tod!« Und: »Ich werde dafür sorgen, dass die Geschichte ein gutes Ende nehmen wird!«
Ich weiß beim besten Willen nicht, ob diese Corona-Pandemie Gottes Wille ist – wer das zu wissen meint ist nicht besser als die oben genannten Zeichendeuter. Aber eins weiß ich ganz sicher: Gerade in der Krise (und das gilt für alle Krisen, nicht nur für Corona) ist es gut, dass Gott da ist, dass er dich trägt und dass er weiter schauen kann als du es kannst. Und dass du dich darauf verlassen kannst, dass er ein gutes Ende für dich vorbereitet hat. Das Joch, das sich Jeremia auf seine Schultern legte, war nicht das letzte Wort des Herrn an sein Volk, zu dem wir uns heute auch zählen dürfen. Ein paar hundert Jahre später wiederholte er dieses Bild, als Jesus sprach: Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. (Mt.11,29)
Lass dich nicht verführen von denen, die dir weismachen wollen, dass es einfach ist. Lass dich nicht irreführen von denen, die dir sagen, dass du keinen Gott und auch sonst keine Autoritäten im Leben brauchst. Sondern in der Begegnung und in der Nachfolge Jesu ist es möglich, dass deine Last leichter wird, du sie tragen kannst und du nicht darüber verzweifeln musst. Das ist das Joch Jesu Christi. Amen.
Dirk Liebern